SCHAMANISCHE EXTRAKTION


PRAXISBEISPIEL 2 - Organseele

Dieses Praxisbeispiel beschreibt eine Extraktion im Rahmen einer Reise zur Organseele "Herz", die im Rahmen eines fortgeschrittenen Ausbildungsmoduls von zwei Teilnehmern in der Rolle des Schamanen und der Klientin vorgenom-men und danach besprochen sowie detailliert protokolliert wurde. 

 

Wie der Name es bereits andeutet, reist bei dieser Heilmethode der Schamane im veränderten Bewusstseinszustand zu einem Organ im Körper der Klientin. Im gemeinsamen Vorgespräch beklagt die Klientin folgende Beschwerden: Seit einiger Zeit habe sie ein wiederkehrendes und unangenehmes Herzklopfen bis zum Hals. Sie bittet den Schamanen, energetisch-spirituell zu erkunden, was der Grund dieses Herzklopfens sein könne, und wie der Zustand ihres Herzens sei. Sie fragt, was zur Behebung der Beschwerden zu tun sei. Bevor der Schamane seine Arbeit beginnt, befragt dieser die Klientin, ob sie ihre beschriebenen Symptome bei einem Arzt hat abklären lassen. Die Klientin erwidert, dass sie bereits bei ihrem Hausarzt vorstellig wurde, nach eingehender internistischer Untersuchung sich jedoch kein Befund ergeben habe. Sie sei organisch gesund. 

 

Methodische Grundlage dieser Erkundung ist die sogenannte Tunnelreise, bei der traditionell Schamane und Klient nebeneinander liegen und sich an Schulter, Handgelenk und Fußknöchel berühren.

 

Das Besondere in diesem dargestellten Fall:

 

Die Klientin reist parallel zum Schamanen, ohne es diesem vorher mitzuteilen. Bemerkenswert und interessant ist nun, dass beide parallel reisenden Parteien -unabhängig voneinander- sehr ähnliche Dinge und Gescheh-nisse auf der Reise zur Organseele des Herzens wahrnehmen, und es innerhalb des Reisegeschehens zu einer mehrfachen Extraktion von (Fremd-) Energien kommt.

 

Um diese Ähnlichkeiten -in ihrer Synchronizität- sichtbar zu machen, sind die Aussagen der Reise-Nachbesprechung beider Parteien in den unten abgebildeten zwei Spalten einander gegenübergestellt worden:

 


PROTOKOLLARISCHE DARSTELLUNG PRAXISBEISPIEL "Reise zur Organseele Herz"

 

A | REISE DES SCHAMANEN

Der Schamane reist zu der Organseele des Herzens der Klientin. Hier ist sein authentischer Erlebnis-Bericht:

 

"Ich reise durch den Tunnel und komme in eine Höhle. Dort sitzt ein kleines Mädchen mit blonden Locken.

 

 

Das Mädchen wohnt im Innern seines eigenen Herzens. Der Innenraum ist mit schamanischen Kraftobjekten geschmückt.

 

Das Mädchen hält einen goldenen Käfig in der Hand, in welchem eine Nachtigall sitzt und singt. Sie sagt leise zu dem Vogel: "Sing nicht so laut, sonst nimmt dich jemand von mir fort!"

 

Ich sehe "graue Menschen", wie in dem Buch "Momo", die das Herz einbetonieren. Das Mädchen versucht, den Beton einzureißen, Risse sind zu sehen. 

 

 

 

 

Ich sehe das Herz des Mädchens, es ist groß, rot, es schlägt und strahlt und ist so kraftvoll! 

 

Immer wieder reißt das Mädchen den Beton ein, die "grauen Menschen" jedoch betonieren es immer wieder zu. Das Herz hat keinen Platz, es reibt sich ständig an dem grauen Beton. Das ist der Grund, warum es so heftig schlägt. Es braucht Raum. Das Mädchen braucht Raum.

 

 

Das Mädchen hat sich in seinem Herzen versteckt. Es muss anfangen, aus dem Versteck zu kommen. Es muss beginnen, seinem Herzen den Raum zu geben, den es zum Leben benötigt. Es muss den Raum und die Freiheit erhalten, sich mit den wahren und wichtigen Dingen befassen."

B | PARALLELE REISE DER KLIENTIN

Die Klientin reist parallel zum Schamanen zu ihrem eigenem Herzen. Hier ist ihr eigener Erlebnis-Bericht: 

 

"Ich falle in den Tunnel und reise tief in mich selbst hinein. Es ist ein eigenartiges Gefühl, in sich selbst hineinzureisen.

 

Ich kann mein Herz schlagen hören, aber ich sehe es nicht. Habe ich gar keines?

 

 

Ich finde mein Herz nicht.

Ich bin unglaublich traurig.

Ich fühle mich gefangen.

 

 

Jetzt sehe ich ein Geistwesen (ist es der Schamane?), es reißt Platten einer Art Verbundstoff aus meinem Leib. Erst denke ich, es ist Torf, dann sehe ich, dass der Verbundstoff  grau ist, ein betongrauer Verbundstoff. Ich denke daran, wie versteinert ich mich früher oft gefühlt habe. Daran erinnere ich mich jetzt, und es schmerzt.

 

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Das Geistwesen reißt und reißt die Platten heraus, sehe ich, immer mehr und immer weiter!

Dann zerbricht das Geistwesen meine Arme, es reißt und kugelt sie heraus, wirft sie mit den Platten hinter sich, wirft meine Knochen mit fort. Das Geistwesen reißt mir den Kopf ab, Beine, Arme, Knochen, der Verbundstoff knacken.

 

Wo aber ist mein Herz, wundere ich mich die ganze Zeit. Ich sehe es nicht, spüre es nur pochen und pochen, vibrieren... Ich habe gar kein Herz, denke ich. Dass die Platten irgendwie weg sind, empfinde ich als Erleichterung."

 

 

 



BESPRECHUNG  PRAXISBEISPIEL

 

Ausgangspunkt

Die Klientin beklagt, dass sie seit geraumer Zeit ständig Herzklopfen habe. Ihr Herz fühle sich krank an. Eine kürzlich durchgeführte jährliche Untersuchung beim Hausarzt, in deren Rahmen auch ein Herz-Ultraschall durchgeführt worden war, habe keinen Befund ergeben. Die Klientin leidet jedoch unter den Herzbeschwerden und möchte, dass der Sache schamanisch auf den Grund gegangen wird.

 

Paralleles schamanisches Reisen 

Die Klientin geht - ohne Wissen des Schamanen - parallel auf schamanische Reise, da sie aufgrund ihrer Ausbildung ebenfalls des Reisens kundig ist. In der gemeinsamen Nachbesprechung berichtet die Klientin von ihren persönlichen Erlebnissen, die den Reiseergebnissen des Schamanen sehr ähneln, beide Berichte ergänzen sich auf bemerkenswerte und interessante Weise, wie in der Gegenüberstellung oben zu sehen.

 

Betrachtung der Reise-Ergebnisse

Die Klientin findet auf ihrer schamanischen Reise ihr Herz nicht, sie fühlt nur, wie es immerzu klopft und pocht und vibriert und ihr im Grunde Angst macht.

Der Schamane hingegen findet das Herz der Klientin sofort, es ist groß, rot, schlägt und strahlt kraftvoll.

Später hören wir auch eine erste Erklärung dafür, warum das von ihm gesehene Mädchen mit dem Lockenkopf (die Klientin) selbst ihr Herz nicht sehen kann: Sie versteckt sich nämlich darin, wie in einer Höhle. Die Klientin weiß während der Reise zwar, dass sie "tief in sich selbst ist", vermag jedoch ihren genauen Standort nicht zu lokalisieren. Sie fürchtet sogar, überhaupt kein Herz (mehr) zu haben. Die lebendige Verbindung der Klientin zu ihrem eigenen Herzen scheint unterbrochen und in Gefahr, ganz verloren zu gehen (es ist erkrankt und könnte sterben). Das Wissen um die Existenz des ihren Organismus erhaltenden Organs ist nur insoweit vorhanden, als dass sie seine Bewegungen und Geräusche wie Klopfen, Pochen, Vibrieren wahrnimmt, welche ihr jedoch seit geraumer Zeit nur noch ein hilfloses und ängstliches Unbehagen bereiten. Warum das ihren Augen verborgene Herz so unruhig klopft, weiß sie nicht genau. Das Herz der Klientin erscheint in der Wahrnehmung des Schamanen als ein im Grunde unbekannter Ort in Form einer fremden Höhle, in der sich die Klientin schutzsuchend versteckt hält.

 

Von dem Schamanen erfahren wir, wie es in dem Herzversteck aussieht: Die Klientin hat es mit schamanischen Kraftobjekten geschmückt. Eine Nachtigall in einem Käfig wohnt ebenfalls in der Höhle. Singen darf die Nachtigall nicht, denn die Trägerin hat Furcht, dass es jemand hören und ihr die Nachtigall wegnehmen könnte. Die Nachtigall kann dem Menschen schamanisches Krafttier sein. Sie ist die Botschafterin des Herzens und der Freiheit, sie singt Liebeslieder und steht für Herzöffnung und Erlösung unerfüllter Sehnsucht. Herzöffnung, Liebe und Wunscherfüllung müssen bei der Klientin hingegen eingesperrt und versteckt und jedes mögliche Nachaußendringen darüber unterbunden werden. Das Bild, das sich zeigt, macht betroffen: Die Klientin als Kind mit Locken und ihre wundervolle, magische Botschafterin in Tiergestalt sitzen beide still und gefangen beieinander und horchen auf das einsame Hintergrundpochen. Worauf warten sie? Kann es unter diesen Umständen ein Hoffen auf Befreiung geben? Die Kraftobjekte, die die Klientin gesammelt hat, was können sie ausrichten? Die Nachtigall als schamanische Verbündete könnte ihr helfen, könnte sozusagen vernehmbar um Hilfe im Außen rufen, doch auch sie darf nur stillschweigen. 

 

Unerwartete Hilfe aus der spirituellen Welt

Unvermittelt tritt heftige Bewegung in das traurig erstarrte Bild: Es kommt überraschende Hilfe. Die Klientin sieht von ihrem Standort aus, dass ein "Geistwesen" (eine persönliche innere Kraft, ein spiritueller Verbündeter der Klientin; der Schamane selbst?) "Verbundplatten" einreißt, diese betongrauen Platten heraus- und von ihr abreißt. Diese Platten kleben an ihr und haben sie offenbar eingemauert und bewegungsunfähig gemacht. Wie nachhaltig dieses Mauerwerk um sie herum angebracht ist, wird daran erkennbar, dass das Geistwesen dieses immer und immer wieder herunterreißen muss.

 

Aus der Reiseerfahrung des Schamanen wiederum wird erfahrbar, woher dieser "Verbundstoff" kommt und worum es sich bei diesem Stoff handelt. Der Schamane erkennt, dass das Herz seiner Klientin von "grauen Menschen" zubetoniert wurde. Der "Verbundstoff", den die Klientin selbst in betongrauer Farbe gesehen hatte, wird nun klar als Beton identifiziert. Diese Menschen erinnern ihn an die Geschichte "Momo" von Michael Ende. Dort versuchen "die grauen Menschen" vorsätzlich, alles Leben im Kampf um Macht, Herrschaft und Bürokratie zu töten. Dann erkennt der Schamane auch Risse im Beton. Er sieht, dass die Klientin selbst (nicht ein von der Klientin gesehenen "Geistwesen") versucht, sich gleichsam gegen aufgezwungenes Regelwerk auflehnend, den Beton hier und da einzureißen. Allerdings werden die Risse von den "grauen Menschen" sogleich wieder zubetoniert. In der parallelen Reisewahrnehmung der Klientin muss daher das "Geistwesen" auch immer und immer wieder "Verbundplatten" abreißen. 


Während weiter Teile innerhalb des Reisegeschehens also kommt es im Ein- und Abreißen der betongrauen Verbundplatten durch das Geistwesen, den Schamanen sowie die Klientin selbst zu erheblichen Extraktionsvorgängen.

  

 


 

EXKURS

Schamanische Zerstückelung (Inititationsfolterungen) als Erwählung und Initiation durch die Geister

"Ekstatische Erlebnisse, die die Berufung des künftigen Schamanen bestimmen, weisen alle das traditionelle Schema einer Initiationszeremonie auf: Leiden, Tod und Auferstehung." (zitiert aus: Mircea Eliade, Schamanismus und archaische Ekstasetechnik, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1994, S. 43).

 

Neben der Reisewahrnehmung des Schamanen (die Klientin reißt den Beton ein, ihr Herz wird jedoch sofort wieder zubetoniert) und seiner klaren Erkenntnis, dass die Klientin Raum brauche und ausbrechen müsse, wandelt sich dies bei und an der Klientin schon in anderweltliche Wirklichkeit: Das Geistwesen reißt alles Schadhafte und im momentanen Status Unbrauchbare und Schwache mit Stumpf und Stiel heraus. Wenn der Klientin neben den einschränkenden Verbundplatten aus Beton auch die eigenen Arme ausgekugelt, Beine und der Kopf abgerissen, die Knochen entnommen und weggeworfen werden, erinnert dieses in der dargestellten Dramatik, Dynamik und Intensität an die in Stammeskulturen gelebten und in der schamanischen Literatur gut bekannten traditionellen "Zerstückelung des Körpers" im Rahmen von Initiationserlebnissen.

 

Die "Zerstückelung" oder "Zergliederung" des Körpers ist Teil der schamanischen Initiationserlebnisse, bei denen -im veränderten Bewussseinszustand während schamanischer Reisen und/oder Krankheit- einzelne Organe entnommen, entfernt, herausgerissen und erneuert, also durch neue und bessere Organe (mit denen der Kandidat später schamanisieren kann) ersetzt werden. In der Initiation drückt sich die Trias "Leiden (zum Beispiel Krankheiten, persönliche Fehlschläge, pathogene Träume), Tod (als symbolischer Initiationstod) und Auferstehung (Wiederbelebung, Genesung)" aus. Sinn und Ziel dieser "Initiationsfolterungen" (vgl. Mircea Eliade) sind die Verwandlung des Menschen und seine Öffnung für das Sakrale, sie sind Grundlage für die Berufung zum Schamanen und seine Befähigung, schamanisch tätig zu sein. In den ekstatischen Erlebnissen kann auch die "Erwählung" durch die Geister selbst liegen.

 


 

Bruch mit dem bisherigen System als erster Meilenstein

Das bisherige System der Klientin (sich Verstecken, sich Verleugnen, sich Zubetonierenlassen) wird auf ihrer Parallelreise (zumindest in der Wahrnehmung) einmal komplett zerstört. Die Klientin beziehungsweise das Geistwesen, ihr spiritueller Helfer (der Schamane selbst?), setzt damit die Hoffnung des Schamanen, die Klientin möge sich endlich den zur Herzgesundung und zum Befassen mit den wahren und wichtigen Lebensdingen benötigten Raum schaffen und sich befreien, in radikaler und geradezu extremer Weise um: Es/Er zerreißt den Beton und zerreißt ihren Körper und wirft alles hinter sich (damit sie es hinter-sich-lassen kann): "Dann zerbricht das Geistwesen meine Arme, es reißt und kugelt sie heraus, wirft sie mit den Platten hinter sich, wirft meine Knochen mit fort. Das Geistwesen reißt mir den Kopf ab, Beine, Arme, Knochen, der Verbundstoff knacken."

 


 

"Wo aber ist mein Herz, wundere ich mich die ganze Zeit. Ich sehe es nicht, spüre es nur pochen und pochen, vibrieren... Ich habe gar kein Herz, denke ich. Dass die Platten irgendwie weg sind, empfinde ich als Erleichterung." 

 

Der zerstörerische und gleichzeitig befreiende Akt des Geistwesens (die Betonplatten sind nun offenbar weg) ist zum Zeitpunkt der schamanischen Reise zur Organseele ein zunächst antizipierender Befreiungsschlag, das zeigt die Frage der Klientin, mit der sie die orientierungslose Ausgangsfrage ihrer Reise zum Ende hin wieder aufnimmt. Bewusst wird ihr nur die Erleichterung, dass die Betonplatten "irgendwie weg sind". Zu einem erneuernden Austausch der abgerissenen Extremitäten und Organe hingegen kommt es zu dieser Zeit noch nicht. Braucht es auch nicht, könnte der Einwand sein, denn das Herz, um das es hier eigentlich geht, ist nach dem Eindruck des Schamanen ja intakt. Es ist "rot, strahlend und kraftvoll". Es wird nur nicht genutzt. Daher mutet das Zerreißen durch das Geistwesen bzw. den Schamanen fast wie ein Ausbruch gerechter Wut an, wenn der Klientin, die ihre Ressourcen nicht nutzt, nun alles fortgerissen und weggeschleudert wird.

 

Es mag aber auch ein wichtiger Hinweis darauf sein, dass es sich bei der Selbstwerdung eines Menschen um einen mehr langwährenden Prozess handeln kann, der eben nicht mit einer einzigen schamanischen Reise alleine zum sofortigen Erfolg geführt wird.

 

Die weitere Entwicklung der Klientin zeigte allerdings, dass die unter der Führung des Schamanen erlebte Reise zur Organseele, zu ihrem Herzen, ihrem Zentrum, einen wichtigen Meilenstein und wirkungsvollen Impetus darstellte, der sie dazu befähigte, ihre Eingeschlossenheit, Verstummung und Orientierungslosigkeit zu erkennen und in der Folge ihre Ressourcen besser zu nutzen.

 

Insofern darf davon ausgegangen werden, dass die Anwendung und Ausübung schamanischer Heilweisen sinnvoll und für manche Klienten durchaus nutzbringend, da positiv lebensverändernd, sein können.