DAS ÖFFNEN DER TROMMEL


PRAXISBEISPIEL

Eine schamanische Pferdetrommel öffnet sich

 

Die schamanische Trommel ist ein zum Schamanisieren, Geisterrufen und Heilen gefertigtes Instrument und spirituelles Kraftobjekt. Die Trommel beherbergt das Wissen, die spezifischen Fähigkeiten und die Persönlichkeit des Tieres und des Baumes, aus denen sie gefertigt ist, sowie den Willen der Geistwesen, die bei ihrer Entstehung anwesend waren. Dies sind die Geister der Trommel, die diese zu einem mit spiritueller Kraft begabten und lebendigen Wesen und treuen Gefährten und Verbündeten der Schamanen machen und diese auf ihren Reisen begleiten und geleiten. 

 

Und manchmal ist es der Wille der Geister, dass die Trommel sich dem, der sie aufrichtigen Herzens schlägt, öffnet und ihm ein Stück eines ihm noch unbekannten Territoriums zeigt, ihn einlädt, ein fremdes Ahnenfeld zu betreten.

Hier ist ein authentischer Bericht abgebildet:

 


26. Oktober  2016 

"Heute ist etwas Seltsames geschehen. Ich hielt einen Schamanischen Abend ab, rief die Geister mit der Rassel, dankte ihnen, kommunizierte mit ihnen, trommelte. Mir wurde bewusst, dass ich in der letzten Zeit ein intensiveres Verhältnis zu meiner Pferdetrommel entwickelt hatte und freute mich darüber. Ich schmiegte mich in die Trommel, schlug rasch und gleichmäßig den Schlägel und lauschte… Sie sang... Und dann - öffnete sie sich, und ich spürte einen sanften Sog, der mich einlud, einzutreten...

 

Sie gibt ja nicht nur einen typischen Trommelklang von sich, sondern sie singt auch in unterscheidbaren Tonlagen, die Energie der Schläge überträgt sich von dem Fell auf den Rahmen, dieser beginnt zu schwingen, und die Trommel gibt einen betörenden Ton von sich, hoch und wellenförmig, sehnsuchtsvoll, fast weinend, sirenenartig ruft sie. Die rhythmischen Schläge entwickeln sich. Sie verändern sich, sind zunächst ein dumpfes bebendes, manchmal grollendes Bumm Bumm Bumm, werden härter, schneller, wollender, heftiger, sie beginnen zu knallen, machen dieses eindringliche und laute und zwingende Klack Klack Klack und Tack Tack Tack, wenn der Schlägel auf diese eine besonderen Stelle trifft, wenn das Pferd mehr und mehr den Zenit seines Galopps erreicht, wenn seine galoppierenden Hufe eins werden mit der Erde, dem Wind, wenn es abhebt, ohne seinen Boden zu verlieren, das Pferd nicht mehr zu unterscheiden ist von seiner Umgebung, eins geworden mit der, die es reitet. Das Knallen der Hufen, es fällt die Wände an, Mauern an, Berghänge, bricht sich an ihnen, ihren Graten, fällt zurück, mischt sich mit dem Singen und Weinen und Rufen, den knallenden Hufen, mischt sich mit dem wollenden Willen der anwesenden Geister und dem fordernden Geist der Schamanin, mit den herzu fliehenden Winden der Himmelsrichtungen, die Blitz und Donner mitbringen, und gemeinsam peitschen und reiten und brausen sie in das unsichtbare kosmische Netz, fluten es, reiten über seine Linien, fliegen in ihnen und pulsen darin und bringen das Ganze in eine einzigartige Schwingung, um gesetzte, benannte, gewünschte Ziele zu erreichen.

 

Aber so - war es heute nicht. Ich schlug rasch und rhythmisch gleichmäßig und schmiegte mich also an und in die Trommel, sie sang, ich lauschte ihrer feinen Musik, spürte, wie das Wesen in dieser Trommel mir näherkam. Wie ich der Wesenheit in dieser Trommel näher kam. Beide begannen wir zu verschmelzen – und dann... wurde ich sanft und vorsichtig in die Trommel gesogen. Ich spürte nur dieses ganz sanfte, fast zärtliche Ziehen der Trommel, ihre Membran öffnete sich für mich, und ich setzte vorsichtig einen Fuß hindurch. Ich war überrascht! Es war ganz leicht, brisengleich, ohne Wollen, ohne Anstrengung, ich hatte keine Absicht verfolgt, es geschah ganz einfach. Und ich sah mich in einer Prärie, drei Indianer standen dort mit einem Büffel an ihrer Seite. Einer oder zwei der Männer trugen Decken über ihren Schultern. Sie lächelten mich sanft und freundlich an, sie kommunizierten gedanklich mit mir. Sie luden mich in ihre Welt ein. Sie hatten mich offenbar erwartet und empfingen mich. Es war so offen, herzlich und vorsichtig, so natürlich – ja, natürlich ist das richtige Wort.

 

Ich erwiderte ihr Lächeln, schüchtern, wissend, dass ich eine große Ehre empfing. Der Büffel war schön, krauses dichtes Haar wuchs zwischen seinen gebogenen Hörnern. Ich berührte ihn, glücklich und ehrfurchtsvoll. Ich wusste nicht, ob es indianische Ahnenwesen oder der Geist indianischer Lebender war, denen ich hier begegnete, die sich mir im Innern der Trommel und im Trommelklang offenbarten. Noch hatte ich eine Erklärung, warum sie erschienen waren. Ich dachte an die Büffelvision kurz vor Beginn meiner schamanischen Ausbildung… Der Büffelgeist war erschienen, ohne dass ich an ihn gedacht noch ihn gerufen hätte. Es hatte ihm gefallen, mich zu besuchen. Und ich hatte ihm in Dankbarkeit und Ehrfurcht geantwortet.

 

Diese Begegnung im Innern der Trommel war so bewegend, dass ich meinen Fuß aus dem Trommelrahmen wieder herauszog, um sofort wieder hineinzusteigen. War wirklich ich gemeint? Noch einmal berührte ich den Büffel, wie um mich zu vergewissern, dass er wirklich sei, in der Anderswelt. Zum Abschied sagte ich: „Ich komme wieder. Ich bin da.“

 


29. Oktober 2016

"Ich trommele eine ganze Zeitlang, plötzlich wird mein Kopf länglich-oval, er verschmilzt ein Stückweit mit der Trommel. Ich lehne mich an und plötzlich spüre ich, wie mein Schädel sich weitet und ich „andocke“. Ich schaue plötzlich durch die geöffnete Trommel, stehe am Trommelrahmen und steige hinein. Es sind wieder drei indianische Personen, dieses Mal sitzen sie in einem Zelt am Feuer. Ich darf mich dazusetzen. Einer der Indianer trägt eine große Zeremonientracht, einen schönen edlen Kopfschmuck mit Federn. Er reicht mir eine Pfeife, ich denke, es ist eine Friedenspfeife. Ich rauche und gebe sie weiter. Ich fühle mich geehrt, bin schüchtern wie einige Tage zuvor. Dann sage ich, dass ich Geistersteine habe und sage auch, welche. Ich erzähle von dem Raben, und dass ich ihm aus Reisig ein Nest gebaut habe in dem nachgewachsenen Geäst der gefällten Eiche, um ihn zu rufen, den Geist des Raben herbeizurufen, und ein schwarzer Stein liegt darin. Und  tatsächlich, der Rabe hatte mein Rufen gehört und war erschienen. Er nistete ganz in der Nähe, und heute sind es viele. Sie zeigen ihre wilden Flugkünste, es ist köstlich anzusehen. Dann berichte ich , dass ich gerne mehr über das Schamanisieren lernen möchte. Und ich frage sie, ob sie mir helfen können. Ich lese Bücher, übe mit den Krafttieren und reise zu anderen Spirits, mache eine Ausbildung. Daraufhin reicht mir der Indianer mit dem reichen Kopfschmuck nochmals die Pfeife, von der ich weitere zwei oder drei Züge nehme. Dann gebe ich sie ihm zurück.

 

Bevor ich wieder durch das Tor meiner Pferdetrommel steigen kann, muss ich mit ihrem Klang hinunter durch den Tunnel, das Pferd, mein Totem im Süden, der Geist meiner Schamanischen Trommel, ist dort, wartet auf mich, wir galoppieren durch den Tunnel, dann öffnet sich das Trommeltor, ich falle zurück in den realen Raum."

 

QUELLE: DIE FREIE SCHAMANIN