S C H A M A N I S C H E

 

E N T F E S S E L U N G S - Z E R E M O N I E

 


Auch eine Ahnen-Begegnung

 

Während einer schamanischen Ausbildung nehmen die werdenden Schamaninnen und Schamanen über ihre gesamte Ausbildungszeit an mehreren Entfesselungs-Zeremonien teil.

 

Gefesselt-Werden

Sie müssen sich im Rahmen einer solchen Zeremonie mit Fesselwerk fesseln lassen. Die Fesseln werden in fachmännischer Weise und Ordnung angebracht und verschnüren die Person wie ein Paket. Dann wird eine Decke über sie gelegt und diese ebenfalls am Körper verschnürt.

 

Der künftige Schamane darf sich nicht mehr rühren noch sich selbst befreien können. Befreit werden kann er einzig durch die Geister, die gerufen werden. Gebunden und verschnürt wird er in die Mitte des Raumes gelegt, die Lichter gelöscht. Nicht der kleinste Lichtstrahl erhellt mehr den Raum, es ist dunkel, schwarz, Nacht, niemand sieht auch nur die Hand vor Augen. Es ist Totenstille.

 

Dann: Das Trommelfeuer beginnt.

 

Die anderen Schamanen, Schamaninnen trommeln um ihr Leben, rufen die Geister. Sie rufen alle Krafttiere, Lehrer, Geistführer und Energien, die sie kennen. Der Oberschamane rührt die erhabene Klapper, the rattle.

 

The rattle

Rattert und knallt, knallt in vielfachem Echo in uns hinein, aus allen Ecken des stockfinsteren Raum heraus und zurück in seine Mitte. Dort liegt der Gefesselte, die Gefesselte, verschwunden im Dunkel, glücklich, hoffend, leidend. Ruft ebenfalls seine ihre Geister, bittet und bittet und betet darum, von den Fesseln befreit zu werden.

 

Es ist eine Mutprobe...

So gebunden und gefesselt dazuliegen, kaum mehr atmen zu können, dem nahenden Ersticken und den erwarteten Geistern ausgeliefert. Ängstlich hoffend. Wissend. Denn die Beziehungen zu den spirituellen Mächten sind im Laufe vieler langer Jahren kontinuierlich aufgebaut worden.

 

Es ist eine Vertrauensprobe…

Werden die Geister mich befreien? Was, wenn die Geister nicht erscheinen? Wenn die Geister erscheinen, plötzlich aber der Meinung sind, es sei die Zeit noch nicht reif… Oder was, wenn sie den Gebundenen ablehnen… Nein, sie werden kommen und mich sanft berühren und die Fesseln lösen.

 

Plötzlich, wie von Geisterhand…

Es zischt, der Raum ist taghell, die Augen schmerzen, jemand hat eine Kerze angezündet.

Das ist der Ruf, augenblicklich endet das Trommeln, verhallt verhallt verhallt, es ist Totenstille.

Aller Augen ist auf den Gebundenen, die Gebundene in der Mitte des Raumes gerichtet.

Ist er, ist sie von den Fesseln befreit? Wurde er, wurde sie von den Geistern angenommen?

Haben die Geister die Person rehabilitiert? Bestätigt? Entfesselt?

 

 

Hintergrund der Entfesselungszeremonie…

Sinn ist, dass der Schamane, die Schamanin alle Not, alles Leiden, alle Schmerzen, alle körperliche und seelische Krankheit, alle Vergehen des Clans, der Clanmitglieder auf sich nimmt. Sichtbares Zeichen dieser Nöte ist das Gebundensein, die Verseilung und Verstrickung des Schamanen und der Schamanin in die Seile und mit den Seilen. Er, sie bittet die Geister, zu kommen und alle Not für die Anwesenden, Beteiligten zu lösen. Auch die der Schamanin, des Schamanen. Diesem voran geht oft das Rühren der Heiltrommel.

 

So wurde es früher gehalten. So wird es heute gelehrt, geübt, durchgeführt.

 

Heerscharen rufen…

Ich stehe also mit meiner Schamanentrommel im Dunkel, aufrecht und ehrlich, aufrechten und ehrlichen Geistes, trommele um mein Leben, in meinem Rücken die Zimmertür, rufe im Geiste die Geister, meine Geister… trommele trommele, spreche mit meiner Pferdetrommel, höre ihren Klang, fühle ihre lange hübsche Mähne im Trommelwirbel. ... Da spüre ich, wie kleine Füße auf meinen Rücken springen, kleine weiche Füße, wie Kinderfüße in dicken weichen Wollsocken. Sie laufen über meinen Rücken zu meinem Nacken, meine Schultern und springen von dort in das Schwarz… Immer mehr kleine weiche Füße fühle ich, wie sie auf meinen Rücken springen, über ihn laufen, sich abstoßen und im Dunkel verschwinden. Mein Rücken brennt.

 

Ein uralter Knochengeist…

Plötzlich ein Spotlight, links von mir. Es ist nicht die Kerze, der Raum sonst ist schwarz, alle am Trommeln. Nur ich seh´s:

Im Lichtkegel steht eine uralte und leicht gebückte, männliche, skelettartige Wesenheit mit einem markantem Schädel und robustem Kiefer. Es hat eine Art Gehstock in der Hand.

Alles geht so schnell, dass ich nicht richtig zum Denken komme. Das Wesen spricht mich an:

 

„DU bist das …?!“

„DU... HIER...?!“

 

Seine geistigen Ausrufe klingen verwundert, überrascht und - leicht verärgert.

Ich fühle mich durchaus angesprochen, entdeckt, erwischt, beklommen; schäme ich etwas, weiß ich doch, dass ich meine Ahnen oftmals wenig geehrt habe. Und jetzt das.

In einer Entfesselungszeremonie bekommt jeder das, was er verdient. Aber in der Regel meinen es die Ahnen und die Geister doch gut mit dem Adepten, Aspiranten, und hoffen und warten auf dessen Einsicht und Besserung.

 

Der Lichtkegel, der Geist, dieser unerwartete, unerklärliche Spuk verschwindet, so schnell wie er erschien.

 

Kurz darauf das Licht der Kerze. Die Trommeln verstummen im selben Moment.

Die Augen brennen. Totenstille. Andacht.

 

Jeder und jede hat etwas erlebt, gesehen, gehört. Etwas für ihn und sie Bestimmtes, Bedeutsames, Lehrreiches. Wegweisendes. Veränderndes. Kein Zweifel.

 

Ich selbst bin noch benommen von meinem Erlebnis. Grübele, denke nach, bin noch etwas erschrocken. Mein Rücken brennt. Ach ja, die Geisterkinder mit den weichen Kinderfüßchen… Woher nur kamen sie? Woher dieser Ahnengeist – und wer überhaupt? Gesehen habe nur ich es, das wird jetzt klar. Fragezeichen in meinen Augen.


 

Dieses erste Leader-Modul im April des letzten Jahres war nochmals Auftakt zur lange überfälligen Ahnen-Arbeit. Hinzu kommt die Mongolei-Reise. Die mongolischen Schamanen sind zutiefst verwurzelt und verbunden mit ihren Stammvätern und Stammmüttern, Stammesfürsten, früheren Clanführern und Clanführerinnen. Ich durfte den Ahnen-Tanz in einem originalen schamanischen mongolischen Gewand mit der Hörnermaske tanzen und habe in der Feuerzeremonie von der alten Schamanin etwas vom Atem ihres Stammvaters erhalten. Im Rahmen einer weiteren Entfesselungs-Zeremonie im Oktober des letzten Jahres hatte ich dann eine denkwürdige Begegnung mit einer besonderen Wesenheit, von der eine Kollegin mir sagte, "die hast du dir aus der Mongolei mitgebracht." ...

 


 

 

Auch wenn man manchmal kaum glauben mag, was von solchen Zeremonien berichtet wird:

 

Das Erlebte und Gesehene kommt unerwartet und überraschend.

Das Erlebte und Gesehene wirkt in positiver Weise lebens- und persönlichkeitsverändernd.

Der Mensch selbst, er oder sie persönlich, ist gemeint.